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Ault Onival

Onival – fragile Schönheit an der Küste der Picardie

„Morbid – alles tot, da gibt es nur das Meer“. Manche Orte sind wunderschön, aber aus unerfindlichen Gründen in Vergessenheit geraten. Vor nur wenigen Jahren voll erblüht, in aller Munde, der Da–Musst–Du–Gewesen–Sein–Super–Duper–Absolut–Hip Ort. Doch dann, nur ein paar Jahre später, ist alles vergessen. Wie ein One–Hit–Wonder des Tourismus. Häuser und Bauten sind noch da, aber die Menschen, die früher in Scharen mit Bahn und Bussen angereist sind, kommen nicht mehr.

Onival mit den Klippen
Weitere BilderDer Strand von Ault-Onival
Der Strand von Ault-Onival Bildrechte: in Reisefotografie
Die Klippen con Ault-Onival bei Ebbe
Die Klippen con Ault-Onival bei Ebbe Bildrechte: in Reisefotografie

„Morbid“, sagt die Vermieterin, „Alles tot, was willst du denn da?“ und drückt mir den Schlüssel für die Ferienwohnung in die Hand. Sie kann nicht glauben, dass ich eine Woche in Ault–Onival verbringen will. „Da ist alles tot – nur Nichts und Meer“. Und in der Tat: Als ich, vermutlich 2008 zum ersten Mal von Onival hörte, hat selbst das Internet einen Bogen um den Ort gemacht. 0 Suchergebnisse. So viel Anti–Werbung macht natürlich neugierig.

Dabei gehörte Ault–Onival zusammen mit Berck–sur–Mer, und Saint–Quentin–Plage Ende des 19. Jahrhunderts zu den 3 feudalen Belle–Epoque Badeorten an der Nordküste Frankreichs. Pariser Ärzte, Architekten, Industrielle: Wer es sich leisten konnte, nannte eine Villa in Onival sein Eigen. Dank der Bahnverbindung vom Gare–du–Nord reisten sie schnell und bequem in nur 3 Stunden an die Nordküste. Um die Züge voll zu kriegen, plakatierte die französische Eisenbahn die Hauptstadt mit Werbeplakaten. Nur wenige Bilder davon existieren noch heute und zeugen von dieser Zeit.

Möglicherweise verursachte der französische Schriftsteller Victor Hugo diesen Boom: In einem Brief vom September 1837 beschrieb er die Lage von Onival als so wunderschön, dass er seinen Blick kaum wieder davon abwenden konnte. Im Aulter Ortsteil Onival enden die großen Kreidefelsen der Nordküste Frankreichs in einer Wiesen– und Sumpflandschaft, die sich sanft zur Mündung der Somme hinzieht. In der Folgezeit entstanden mehr als 90 Belle Epoque–Villen, vor allem als Zweitwohnsitz für die reichen Pariser. Drumherum Unterhaltung, Geschäfte, ein großes Casino. Klassische Aufnahmen zeigen Menschen bei Ebbe am Strand, das Casino direkt dahinter.

Doch die pittoreske Schönheit von Ault–Onival war und ist bis heute sehr zerbrechlich. Trotz Gegenmaßnahmen nimmt die Meereserosion den Klippen jedes Jahr etwa 30 Zentimeter, 30 Meter in Hundert Jahren. Das heißt, mehr als ein ganzer Straßenblock, einschließlich 5 Casinos verschwanden seit 1860 im Meer. Die Villen, die jetzt direkt an der Strandpromenade stehen, wurden seinerzeit in der 2. Reihe erbaut.

«Glück für mich», denke ich. Mir geht es gerade wie Victor Hugo. Aus dem Fenster meiner Ferienwohnung schaue ich den bunten Schirmen der Kiter zu. Ihren Sport können Sie hier nur bei Ebbe ausüben. Gegen Süden hin versperrt ihnen die 60 Meter hohe Wand der Kreidefelsen den Zugang zum Meer. Alabasterküste wird sie genannt und zieht sich 120 Kilometer lang die Küste hinunter bis zur Mündung der Seine bei Le Havre.
Richtung Norden: Flachland. Das Schutzgebiet Hâble d'Ault mit Wiesen, Sümpfen, kleinen Tümpeln zieht sich sanft und weit von hier bis zur Mündung der Somme, lädt zum Wandern und Radfahren ein.
Wie an einer Schnur aufgereiht, liegt ein Streifen dicker Kieselsteine zwischen den Wiesen und dem Watt. Aufgrund der Meeresströmung wird ein Großteil des Erosionsmaterials der Alabasterküste hier angeschwemmt. Regelmäßig unterbricht der – quer zur Küste gebaute – Erosionsschutz das Bild. Bei Flut ermöglicht er einen einfachen Zugang zum Meer.

Der Rundgang durch Onival führt über den Victo Hugo Weg. Er wurde für Besucher eingerichtet und zitiert in französischer, englischer und holländischer Sprache aus den Briefen an seine Frau Adele. Er führt an der Küste entlang bis hoch auf die Klippen zu den besten Aussichtspunkten und informiert über die Stadtgeschichte.

Dort, hoch oben, über eine Treppe erreichbar, steht die Kapelle der Lieben Frau von Onival. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde sie aus rotem Backstein hier oben erbaut. Frei zugänglich von Frühjahr bis Herbst ist sie von morgens 9:30 bis abends 18:00 Uhr jederzeit zu betreten. Wobei das Beste an dem Kirchlein natürlich seine Lage mit dem verbundenen Ausblick auf die Küstenlinie darstellt.

Flut. Badezeit. Der Strand befindet sich am Nordende Onivals. Ein paar Umkleidekabinen am Strand. Ein Karussell und ein kleiner Spielplatz daneben. Nett. Links das Meer und dazwischen ein Berg mit dicken, dicken Steinen. Die Leute liegen mir nichts, dir nichts auf ihren Handtüchern auf den dicken Kieseln. Kann ich auch, suche mir zwischen den dicken Wacken einen Liegeplatz. Die Steine schmerzen höllisch unter meinen Füßen, doch ich tue, als ob nichts wäre. Lachend stürze ich mich in die Wellen, bin froh nicht mehr auftreten zu müssen. Das Wasser – glasklar und erfrischend. Ault–Onival ist Träger der blauen Flagge für seine hohe Wasserqualität. Doch irgendwann muss und will ich wieder aus dem Wasser raus. Auf mein Handtuch. Ich beobachte die anderen Leuten und sehe, dass nichts dabei ist. Ich versuche, auf den Steinen schmerzfreien Halt zu finden, doch die Wellen wiegen mich vor und zurück. Sehr schnell muss ich aufgeben. Unter den verständnislosen Blicken der anderen Badegäste krabbele ich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf allen Vieren zu meinem Liegeplatz. Bleibe dort liegen, sammle Kräfte für den Weg zurück auf glattes Terrain. Was mache ich nur falsch? Die Sonne tut gut. Fortan benutze ich nur noch den Erosionsschutz, wenn ich baden gehe.

Der Bäcker hat nur morgens geöffnet und das auch nur im Sommer. Eine Kneipe gibt es auch. Die hat eher abends geöffnet. Ansonsten bewundere ich die wunderschönen Gebäude aus der Zeit der Belle Epoque. Oft noch aus rotem Backstein, manche, leider muss man da schon sagen, grau verputzt, oder bunt angestrichen. Dem Charme aus Farben und Formen, den Giebeln, Fensterchen und Türmchen, kann ich mich nicht entziehen. Von wegen morbid. Aber den einen oder anderen Balkon würde ich trotzdem nicht betreten wollen.

Überraschung: Am Mittwoch Morgen ist Markt. Die Hauptverkehrsstraße ist gesperrt und alles steht voll mit Ständen. Ein Supermarkt auf offener Straße. Endlich einkaufen! Neben Haushaltsartikeln und Kleidern gibt es viel frisches Obst und Gemüse, Wurst und Käse. Hier beweise ich königlichen Geschmack. Der Maroilles ist der traditionelle Käse der Picardie. Obwohl aus Kuhmilch, hat er es mir besonders angetan, denn nach der langen Reifezeit ist er kräftig im Geschmack. Kein Wunder, dass er auch der Lieblingskäse vieler französischer Könige war. Ludwig der 14. mal wieder!

Und dann ist wieder Ruhe. Onival, die Möwen schreien, das Meer tost gegen die Klippen, das Geräusch rollender Steine am Strand, als die Welle ins Meer zurückfließt, und ein unglaublicher Ausblick.
Wie kommt sie nur auf « morbid »?

Artikel von Hihawai, bei Hihawai.com veröffentlicht am 2017-10-02T12:00
Letzte Änderung: 02.10.2017 um 12:05 Uhr

Ault–Onival, Onival, Ault, Picardie, Klippen, Erosion, Kreidefelsen, Alabasterküste, Strand, Belle–Epoque,

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